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Schaumburg

13  4805  Johanna von Schaumburg

* 16.02.1540 Q95
† 19.11.1599 in Petershagen, Alter: 59 J 9 M 3 T
Vater: Johann von Schaumburg (Jüngeres Haus Schaumburg)
Mutter: Dorothea von Sulingen
oo 1575 in Minden mit Engelbrecht Bessel, * um 1549.
Kind:
Johann von Bessel, Mindener und fürstlich Braunschweig-Lüneburgischer Geheimer Rat
* 1579, † 1649
oo 1605 in Minden mit Anna Bulle.
Biografische Notizen zu Johanna von Schaumburg: [-][+]

Freiherr von Schnehen: Herbert War Dorothea von Sulingen die Ehegattin Genealogie Heft 11/1980.

Die Frage, ob Graf Johann von Schaumburg mit Dorothea von Sulingen wirklich verheiratet war, wurde bisher meist in positivem Sinne beantwortet und ist deshalb von nicht geringem Interesse, weil dieses Paar über die Tochter Johanna von Schaumburg, Gattin des 1567 in Petershagen verstorbenen Bischöflich-Mindener Kammerrates und Oberamtmann Engelbert Bessel, in vielen Ahnentafeln aufscheint und sich, da die biologische Abstammung dadurch natürlich nicht berührt wird, in jedem Falle über Graf Johann auch eine Deszendenz von Karl d. Gr. und anderen mittelalterlichen Herrschern herleiten lässt.
Leopold von Bessel behandelt in der von ihm bearbeiteten Ahnentafel des Astronomen Friedrich Wilhelm Bessel1 die Frage sehr eingehend und tritt nachdrücklich dafür ein, dass es sich um eine wirkliche Ehe gehandelt hat, und dieser Ansicht hat sich auch Eberhard Winkhaus in seinem bekannten Buch angeschlossen, wenn er schreibt2 : "Wer mit seinen Ahnen in das Geschlecht Bessel auf den Mindener Kammerrat und Oberamtmann EngelBessel, '3f Petershagen 4.3.1567 und dessen Gattin Johanna von Schaumburg, vor 1540, '3f Petershagen 19.11.1599, gelangt, schließt über Johann X. Graf zu Holstein, Schaumburg und zum Sternberg (1540-1560) und dessen urkundlich als Gattin (nicht Konkubine) nachgewiesener Katharina3 von Sulingen . . ." usw. Dagegen nennt Helge bei der Wieden in seiner Schaumburgischen Genealogie, Bückeburg 1966, bei Graf Johann als (einzige) Gattin nur Elisabeth von Ostfriesland und erwähnt Dorothea von Sulingen überhaupt nicht, ein sicheres Zeichen, dass er sie nicht als Ehegattin ansieht.
Leopold von Bessel beruft sich auf drei Urkunden vom 16.11.1540 und vom 30. und 31.11.1540, ohne jedoch ihren Inhalt oder gar den Wortlaut mitzuteilen, sowie auf die ungewöhnliche Höhe der Abfertigung4. Ich selbst habe noch vor nicht langer Zeit ebenfalls an eine richtige Ehe geglaubt5, dachte allenfalls an eine sogenannte Friedelehe6, bin aber anderer Meinung geworden, nachdem ich die Urkunden selbst eingesehen hatte.
Es sei daher vorerst der Wortlaut der Urkunden mit Auslassung der zeitüblichen Floskeln und einiger gänzlich unleserlicher Stellen mitgeteilt7:

....1540 Montag vor Sonntag Invocavit.
Claus von Rottdorf berichtet.
Des ehrbaren Stats von Sulingen Tochter Dorothea hat von dem wohlgeborenen und edGrafen Johann von Holstein-Schaumburg . . . ein Kind zur Welt gebracht. Im Einverständnis mit dem Coadjutor Adolf des Erzstiftes Köln, Graf von Holstein-Schaumburg ..., seinem gnädigen Herrn, hat Rottorff mit Stats von Sulingen verhandelt. Graf Adolf will Stats von Sulingen 1000 Goldgulden geben. Dafür erhält Rottorff von diesem einen ver'"en Verzichtsbrief. Der Coadutor verspricht, dass das Kind der Dorothea mit aller Notdurft versehen und versorgt werden soll, insbesondere mit einer Pfrü nde in Obernkirchen oder einem anderen Stift. Die Zusage hat Rottorff als Unterhändler dem Stats von Sulingen gemacht.
...Eigenhändige Unterschrift des Claus von Rottorff... Staatsarchiv Bückeburg, Orig. Des. 1 D 99.
1540 Ostern .
Stats von Sulingen und seine Ehefrau Anna bekennen und tun kund: Nachdem ihre Tochter Dorothea ein Kind von Graf Johann zu Holstein-Schaumburg . . . zur Welt gebracht und der Coadjutor des Erzstiftes Köln, Graf Adolf von Holstein-Schaumburg ... sie für ihre entheherung und sonst auch alle und jede Ansprüche und Gerechtigkeit mit 1000 Goldgulden abgefunden hat, stellen sie keine Ansprüche mehr. Dorothea schließt sich dem an.
Siegler die ehrbaren Heneke Visbeke, Evert Nolke, Claus von Barckhausen und Hermann Visbeke.
Staatsarchiv Bückeburg, Orig. Des. 1 D 100.

Eine dritte Urkunde, die nicht im Original, sondern nur in einer beglaubigten Abschrift überliefert ist, bringt nichts wesentlich Neues und kann daher füglich außer acht gelassen werden.
Beim unbefangenen Lesen dieser Urkunden ist wohl keine andere Ansicht möglich als dass es sich um ein uneheliches Kind gehandelt hat. Die in beiden Urkunden vorkommende Wendung, dass Dorothea von Sulingen von dem Grafen von Holstein-Schaumburg "ein Kind zur Welt gebracht", zeigt deutlich, dass es sich um ein unerwünschtes, also uneheliches Kind handelt. Bei einem in rechter Ehe geborenem Kind hätte man sich niemals so unbeteiligt und lieblos ausgedrückt. Bezeichnend ist es auch, dass nicht einmal gesagt wird, ob es sich um einen Knaben oder um ein Mädchen handelt, und nur aus dem Umstand, dass ihm eine Präbende in Obernkirchen, also in einem adeligen Damenstift, zuerkannt wird, ist zu ersehen, dass es ein Mädchen war. Auch ist es nicht der Kindesvater selbst, der die Entschädigung zusagt oder leistet, sondern dessen Bruder, der Coadjutor und spätere Erzbischof von Köln Graf Adolf von Holstein-Schaumburg, und auch erst, nachdem der im Dienste des Coadjutors stehende Kriegsoberst und Landdrost von Schaumburg Claus von Rottorff, also eine angesehene Persönlichkeit, vermittelt hatte. Dann allerdings erwies sich der Coadjutor als nicht kleinlich: Offenbar lag ihm daran, die für sein Geschlecht doch etwas peinliche Angelegenheit in Ordnung zu bringen.
Leopold von Bessel bezieht sich noch auf das in der zweiten Urkunde stehende Wort "entheherung" und behauptet, dass dieses Wort die Auflösung einer gültigen Ehe, also "Ent-Ehe-rung", bedeutet. Diese Auslegung ist sicher falsch; ganz abgesehen davon, dass ein solches Wort nirgends belegt ist, kann es dem ganzen Sinnzusammenhang nach nur "Entehrung" bedeuten. Dorothea von Sulingen fühlte sich durch die Geburt eines unehelichen Kindes entehrt und verlangte dafür eine Entschädigung.
Nun ist noch zu beachten, dass die Tochter sich nach dem Vater Johanna von Schaumnennt und auf dem prachtvollen Epitaph, das sie ihrem verstorbenen Gatten8 1570 errichten ließ9, das gräflich-holsteinische Wappen führt. Doch ist die Namensführung unehelicher Kinder nach dem Vater im Gegensatz zu der heutigen Gepflogenheit in älterer Zeit durchaus nicht selten10, auch werden sich die Grafen von Schaumburg kaum viel darum gekümmert haben, ob Johanna ihr Wappen führte. Es besteht aber auch die Mög, dass Johanna von Schaumburg dies nicht bewusst per nefas, sondern bona fide getan hat, wenn ihr nämlich die Mutter über ihre Abstammung die Wahrheit verschwiegen und sie in dem Glauben auferzogen hat, eine echte Gräfin von Schaumburg zu sein. Dass man noch in späterer Zeit nicht nur von dieser Abstammung wußte, sondern auch des Glaubens war, stolz darauf sein zu können, zeigt das "Familienbuch"11 , welches David I von Schneen mit den Worten "Laus Deo in sempiternum. Anno 1589 habe ich David von Schneen dies Register angefangen" eröffnet hat und das von seinem Sohn David II., 1590 - 1668, fortgesetzt wurde. Dieser vermerkt mit sichtlichem Stolz seine Hochzeit mit der "ehrentugendsamen Jungfrowe Regina von Dassel" und rühmt
ihre "gar fürnehme" Abkunft mütterlicherseits. Ihre mütterliche Großmutter war nämlich Johanna von Schaumburg12 .

Auch die Ehe, die Johanna von Schaumburg schloss, zeigt deutlich ihre ständische Einordnung. Als "echte" Grafentochter hätte sie wohl eine bessere Partie eingehen können, Bastardtöchter aber mussten zusehen, wie sie halbwegs günstig unter die Haube kamen. Die Bessel waren Bürger, nicht adelig, doch ziemlich angesehen. Bereits das Epitaph Engelberts von 1570 zeigt jenes Wappen, das die Familie noch heute führt: den gegen einen Palmbaum anspringenden Hirsch13 . Zwar gibt Johanna ihrem verstorbenen Gatten auf diesem Epitaph das adelige "von", doch mit Unrecht. Erst 1630 erhält der Mindener Kanzler Johann Bessel von seinem Landesherrn Bischof Christian von Minden eine braunschweigisch-lüneburgische Anerkennung seines "alten" Adels, und zwar unter Berufung auf eine gefälschte Stammreihe, die durchwegs adelige Ehefrauen aufweist und bis zu einem angeblichen Jobst Bessel zurückführt, aus Livland gebürtig, der als kaiserlicher Obrist am 12.2.1494 den Reichsadel erhalten und mit dem Gute Calenberg belehnt worden sein soll. In Wahrheit ist von den Vorfahren Engelbarts nur noch sein Vater Engelke bekannt, * 1590/95, '3f 1562/67, 1530 - 55 Schafmeister in Coldingen, dann bis 1562 Rentner und Bürger der Stadt Hannover, 1567 wohl tot14

Ohne Zweifel wird bei der Eheschließung der Johanna von Schaumburg auch ihr Geld eine Rolle gespielt haben. Die ihrer Mutter zuerkannten 1000 Goldgulden waren kein zu verachtendes Erbe; mit dem Geld seiner Frau pachtete Engelbart Bessel das Mindensche Domgut Petershagen, das viele Generationen hindurch bei der Familie verblieb.

1 Ahnentafeln berühmter Deutscher, Bd. IV, Leipzig 1937/38, S. 185 ff. u. 368 ff.
2 Eberhard Winkhaus: Ahnen zu Karl d. Gr. und Widukind, Selbstverlag 1950, S. 4.
3 richtig Dorothea.
4 1000 Goldgulden für Dorothea von Sulingen, außerdem lebenslängliche Versorgung für das Kind, insbes. eine Pfründe in Obernkirchen oder einem anderen Stift.
5 Vgl. Herbert Frh. v. Schnehen, Familiengeschichte von Schnehen 1200 - 1977, Selbstverlag 1977, S. 37 u. 269.
6 Über diesen Begriff siehe W. Meyer: Friedelehe und Mutterrecht, in: Zs. der Savigny-Stiftung für Rechtsge schichte 1927, S. 198 ff., ferner R. Bornemann in Zs. des Harzvereins 1941/42, S. 60 ff. und Fr. v. Klocke in Zs. f. Niedersächs. Familienkunde 1951, S. 77 ff.
7 Den Wortlaut verdanke ich einer freundlichen Mitteilung von Prof. Dr. Wolfgang Metz, Speyer.
8 '3f Petershagen 4.111.1567.
9 Wohl ein Werk des aus Petershagen stammenden, 1572 in Hannover eingebürgerten Künstlers FriedMeersmann.
10 Vgl. "Genealogie" 1980, S. 89.
" Jetzt im Archiv des Rittergutes Klein-Schneen bei Göttingen, noch heute im Besitz der Familie von Schnehen.
Über die Abstammung der Regina von Dassel von Karl d. Gr. siehe meinen Aufsatz: Herr Meyer und Herr Müller - auch sie Nachkommen von Karl d. Gr., in: Zs. "Adler" 1968, S. 52 ff.

13 Gotha, Briefadl, Tb., zuletzt 1941, Stammr. u. ält. Geneal. ebd. 1915.
14 Vgl. Stadtarchivdirektor Dr. Leonhardt in Hannov. Geschichtsblätt. NF. IV, Heft 3.
Signatur: I1451
Vorh. Signatur: Kek XII
PN = 7525
Quellen: *Genealogie11 B_Greu(7525)
Letzte Änderung: 05.06.2014
Kekule-Nr. 4805, 4817
Weiter zu: Ahnenbaum, Ahnentafel des Probanden.
 
Ahnentafel [-][+]
4 von Schaumburg Jobst, Graf zu Holstein, Schaumburg und zum Ste † 05.06.1531 Bückeburg
oo 1503
8 von Schaumburg Johann IV. (>>)
Graf zu Holstein, Schaumburg und zum Ste † 30.03.1527 Rodenberg, Deister
oo 2/2 1477
9 von Gehmen Kordula (>>)
Beisetzung
* um 1455 † 03.05.1528
2 von Schaumburg Johann, Graf zu Schaumburg, Holstein und zum Ste † 10.01.1560 Bückeburg
o-o 1/1 ...
5 von Nassau-Dillenburg Maria, Gräfin von Nassau-Dillenburg
* 17.02.1491 Vianen † 1547 Siegen
10 von Nassau-Dillenburg Johann V. (>>)
* 09.11.1455 Breda, Nordbrabant, Niederlande † 30.07.1516 Dillenburg
oo 11.02.1482 Marburg a.d. Lahn
11 von Hessen Elisabeth (>>)
* 05.1460 † 17.01.1523 Köln, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
1 von Schaumburg Johanna
* 16.02.1540 † 19.11.1599 Petershagen
3 von Sulingen Dorothea

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© Günther Greuel Bad Kissingen

Stand: 07.04.2015 19:48:59
Erstellt mit dem Genealogieprogramm GFAhnen 15.0

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